Wunden zu desinfizieren, lernen viele von uns schon als Kinder. Doch wie bei allen medizinischen Maßnahmen gilt: Desinfektion und Antisepsis haben klare Vorteile zur Vermeidung von Infektionen, sollten aber gezielt und mit Indikation eingesetzt werden.
Das Wort ‚Sepsis‘ stammt aus dem Altgriechischen ‚σήψις‘ (sēpsis) und bedeutet wörtlich ‚Fäulnis‘. Bereits Hippokrates (ca. 400 v. Chr.) empfahl Essig oder Wein zur Wundreinigung. Mit der Keimtheorie von Louis Pasteur (1860) wurde deutlich, dass Mikroorganismen Krankheiten verursachen. Darauf aufbauend führte Joseph Lister (1867) die antiseptische Behandlung mit Karbolsäure ein – eine Revolution in der Medizin.
Wunde reinigen oder duschen?
Weniger bekannt ist, dass Desinfektionsmittel nicht nur Bakterien abtöten, sondern auch die Hautflora (Mikrobiom) und Zellen wie Leukozyten und Fibroblasten schädigen, die für die Wundheilung wichtig sind. Deshalb gibt es bei normal heilenden Wunden keinen Grund für eine routinemäßige Desinfektion.
In Regionen wie der Gesäßfalte ist eine bakterielle Besiedlung (Kolonisation) normal und nicht schädlich. Antiseptika sind erst bei Infektionen sinnvoll, wenn sich Bakterien unkontrolliert vermehren. Welche Desinfektionsmittel und Wundspülungen geeignet sind, zeigt die folgende Übersicht.
Waschen und Duschen
„Täglich (mehrmals) die Wunde gründlich ausduschen“. – Das ist die am häufigsten berichtete Empfehlung zur Wundversorgung. Was sagt die Wissenschaft?
Eine Cochrane-Analyse von 2012 waren verschiedene Arten der Wundspülung (Leitungswasser vs. abgekochtes Wasser vs. Kochsalzlösung vs. keine Spülung) gleichwertig.
Das Robert Koch – Institut (RKI) nimmt dennoch wie folgt Stellung: „Jede Spülflüssigkeit muss steril sein. Leitungswasser ist nicht frei von Mikroorganismen. Zum Spülen von Wunden dürfen nur sterile Lösungen verwendet werden.“
Was das RKI sagt, ist Gesetz.
Dennoch meine ich, diese Stellungnahmen kommentieren zu können:
- Die Spülung der Wunde im eigentlichen Sinne ist nach Steißbeinfistel OP selten nötig. Offen gelassene Wunden infizieren sich fast nie. Bei genähter Wunde reicht bei einer Infektion die Spülung nicht aus. Die Wunde muss meist operativ eröffnet werden.
- Die Empfehlung bezieht sich auf die Wundpflege in Heimen, also von Problemwunden bei alten und/oder kranken Patienten. Der Patient mit Steißbeinfistel ist in aller Regel jung und gesund.
- Die Gesäßfalte wird nie nachhaltig steril. Die Unterhose des Patienten ist es ebenfalls nicht. Wenn es um die pragmatische Frage geht, ob duschen, d. h. allgemeine Körperhygiene, nach der Operation erlaubt ist, muss man nach meiner Meinung nicht päpstlicher sein als der Papst.
Gelb = empfehlenswert mit Einschränkungen
Waschen und Duschen – mit Leitungswassser
„Täglich (mehrmals) die Wunde gründlich ausduschen“. – Das ist die am häufigsten berichtete Empfehlung zur Wundversorgung. Was sagt die Wissenschaft?
Eine Cochrane-Analyse von 2012 waren verschiedene Arten der Wundspülung (Leitungswasser vs. abgekochtes Wasser vs. Kochsalzlösung vs. keine Spülung) gleichwertig.
Das Robert Koch – Institut (RKI) nimmt dennoch wie folgt Stellung: „Jede Spülflüssigkeit muss steril sein. Leitungswasser ist nicht frei von Mikroorganismen. Zum Spülen von Wunden dürfen nur sterile Lösungen verwendet werden.“
Was das RKI sagt, ist Gesetz.
Dennoch meine ich, diese Stellungnahmen kommentieren zu können:
- Die Spülung der Wunde im eigentlichen Sinne ist nach Steißbeinfistel OP selten nötig. Offen gelassene Wunden infizieren sich fast nie. Bei genähter Wunde reicht bei einer Infektion die Spülung nicht aus. Die Wunde muss meist operativ eröffnet werden.
- Die Empfehlung bezieht sich auf die Wundpflege in Heimen, also von Problemwunden bei alten und/oder kranken Patienten. Der Patient mit Steißbeinfistel ist in aller Regel jung und gesund.
- Die Gesäßfalte wird nie nachhaltig steril. Die Unterhose des Patienten ist es ebenfalls nicht. Wenn es um die pragmatische Frage geht, ob duschen, d. h. allgemeine Körperhygiene, nach der Operation erlaubt ist, muss man nach meiner Meinung nicht päpstlicher sein als der Papst.
Waschen und Duschen – mit Leitungswasser und Bakterienfilter
Wasserqualität verbessern: Die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) sagt zum Thema Leitungswasser: „Bei Verwendung endständiger Sterilfilter am Wasserauslass kann Trinkwasser … die nötige mikrobiologische Reinheit erreichen. Allerdings sollten diese Filter täglich gewechselt werden,…“.
Geeignete Filter gibt es als Einwegprodukte oder im Mietsystem mit inkludierter Aufbereitung. Am besten eignet sich ein endständiges System als Handstück an der Dusche. Damit scheint mir eine empfehlungskonforme und praktikable Lösung verfügbar.
Man muß nicht die Wunde „kärchern“. Ein – bis zweimal täglich würden wir aber empfehlen, Sekretreste, lose Haare und abgeschilferte Hornschuppen der Haut in der Gesäßfalte abzuduschen.
Grün = Duschen mit gefiltertem Wasser halten wir für rundum empfehlenswert.
Desinfektion
HOCl – Hypochlorige Säure
Neu in der Wundbehandlung sind stabilisierte, wässrige Zubereitungen von NaOCl/HOCl. Sie verbinden eine sehr gute Wirksamkeit gegen fast alle Arten von Krankheitserregern einschließlich resistenter Problemkeime mit einer sehr guten Verträglichkeit. Als einziges Antiseptikum ist es bei der Behandlung von schweren Infektionen in der Bauchhöhle. und am Zentralnervensystem zulässig. NaOCl/HOCl wird daher auch schon als neuer Goldstandard in der Wundbehandlung bezeichnet.
Vertreter dieser Gruppe sind zum Beispiel die als Wundgel, Spüllösung und Wundspray erhältlichen Produkte Veriforte™ med, Granudacyn®, Lavanox-Serag® und Microdacyn®.
Vorteile:
- Kein Nachspülen erforderlich
- Keine bekannten Resistenzen
- Nicht giftig für Körperzellen
- Behandlung nicht zeitlich begrenzt
- Anwendung in Körperhöhlen möglich
Grün = NaOCl/HOCl ist als wirksames und schonendes Antiseptikum uneingeschränkt empfehlenswert.
Octenidin
Octenidin (Octenisept®) wirkt gegen Bakterien, Pilze und begrenzt gegen Viren. Es ist gut verträglich und brennt normalerweise nicht auf der Wunde, ein leichtes Wärmegefühl kommt vor. Es hat keine nachteiligen Wirkungen auf die Wundheilung. Aufgrund der leicht viskösen Konsistenz eignet es sich gut als Gleitmittel für die Rasur.
Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung:
- Bei Wundspülungen darf das Präparat nicht unter Druck ins Gewebe eingebracht bzw. injiziert werden.
- In Körperhöhlen oder Hohlorganen soll Octenidin nicht angewendet werden.
- Es sollte nicht gleichzeitig mit Antiseptika auf PVP-Iod-Basis auf benachbarten Hautarealen verwendet werden.
Grün = NaOCl/HOCl ist als wirksames und schonendes Antiseptikum uneingeschränkt empfehlenswert.
Chlorhexidin
Chlorhexidin wird in Deutschland vor allem in der Zahnmedizin als Lösung zur Mundspülung angewendet. Eine weitere, anerkannte Anwendung in England und USA ist die Anwendung vor Operationen zur Verminderung von Wundinfektionen.
Es hat ein breites Wirkspektrum gegen grampositive und gramnegative Bakterien und Hefen. Allergische Reaktionen und ein Einfluß auf Bindegewebs- und Hautzellen wurden beschrieben.
Ich würde die sogenannte Dekolonisation für geeignet halten, im Zusammenhang mit Risikosituationen (Reisen, Prüfungsvorbereitung etc.) Entzündungen bei Steißbeinfistel vorzubeugen. Die Behandlung wäre aufgrund des Zulassungsstatus als Off-Label Therapie zu klassifizieren. Bei einer Dauerbehandlung würden wahrscheinlich negative Effekte überwiegen.
Eine Leitlinienempfehlung zu Chlorhexidin gibt es derzeit nicht.
Chlorhexidin Waschlotion ist in Deutschland nur für medizinische Fachkreise verfügbar als Skinsan Scrub N™. Über europäische Versender wird Desinclor Chlorhexidin antiseptische Seife 0,8% angeboten. In den USA sind Chlorhexidin-haltige Präparate rezeptfrei. In einer australischen Studie war die Dekolonisation durch Waschung mit Chlorhexidin deutlich wirksamer zur Vermeidung von Wundheilungsstörungen als die Einnahme von Antibiotika in Tablettenform.
Als Bestandteil von Bepanthen Antiseptische Wundcreme ist Chlorhexidin zur Behandlung oberflächlicher Wunden zugelassen. Im Einzelfall kann die Anwendung bei anderweitig nicht zu beeinflussender Wundheilungsstörung zu rechtfertigen sein.
Eine Wundspülung mit Chlorhexidin behindert die Heilung wahrscheinlich mehr als sie nützt und wird nicht empfohlen.
Gelb: Geeignet zur Hautantisepsis vor Operationen, zur Dekolonisation bei MRSA Besiedelung. Anlaßbezogene Anwendung zur Entzündungsprophylaxe von Steißbeinfisteln, z.B. vor langer Reise, scheint gerechtfertigt. Zur antiseptischen Wundbehandlung ist Chlorhexidin mit Einschränkungen geeignet, erste Wahl sind HOCl, Polyhexanid und Octenisept.
Jod (Polyvinylpyrrolidon-Jod, Povidon)
PVP – Jod ist ein breit gegen Bakterien und Bakteriensporen, Viren und Pilze wirksames Antiseptikum, für das keine wesentlichen Wirkungslücken oder Resistenzen bekannt sind (Übersichtsarbeit zu Jod in der Wundbehandlung).
Elementares Jod ist nicht wasserlöslich und gewebstoxisch. Povidon Jod (PVP-Jod, Polyvinylpyrrolidon-Iod) hingegen ist wasserlöslich und gewebsverträglich und setzt kontinuierlich kleine Mengen an Jod frei. Die Substanz ist als Lösung und Salbe rezeptfrei erhältlich.
Die meisten Chirurgen berichten gute Erfahrungen mit PVP-Jod-Salbe, auch zur Unterstützung einer verzögerten Wundheilung im Bereich der Gesäßfalte. Die positiven Wirkungen scheinen die experimentell gefundene Hemmung von Bindegewebszellen (Fibroblasten) und Zellen des Immunsystems zu überwiegen. Zahlreiche, klinische Studien belegen, daß jodhaltige Antiseptika Heilungsrate und Heilungszeit bei chronischen Wunden positiv beeinflussen.
Vorsicht ist angebracht bei großen Wundflächen, über die größere Mengen an Jod in den Organismus gelangen könnten, sowie Patienten mit Vorerkrankungen des Herzens, der Niere oder der Schilddrüse. Auch Allergien können gelegentlich vorkommen, sehr selten bis zum anaphylaktischen Schock(1)(2) reichend.
Nicht jede Wunde sollte mit Jod desinfiziert werden. Wir verwenden PVP-Jod bei komplexer Mischbesiedelung von verzögert heilenden, stark riechenden oder sezernierenden Wunden.
Zu beachten ist, dass die braune Farbe die Wäsche verschmutzt.
Gelb – PVP Jod ist grundsätzlich zur Wundbehandlung geeignet, für nicht infizierte Wunden wahrscheinlich verzichtbar bzw. nicht erste Wahl.
Jod sollte nicht mehr als altmodisches Antiseptikum betrachtet werden…. Vielleicht ist seine größte Stärke, dass Bakterien auch nach 150 Jahren der Anwendung am Menschen keinen Weg zu einer Resistenzentwicklung gefunden haben.
Rose A. Cooper (2007), University of Wales, Center of biomedical sciences, Cardiff
Rot – Alkoholische Desinfektionsmittel haben bei offenen Wunden keinen Stellenwert
Alkoholische Desinfektionsmittel
Alkoholische Desinfektionsmittel finden in vielen Bereichen der Hygiene ihren Platz, sind jedoch bei offenen Wunden weniger zu empfehlen. Sie verursachen starke Schmerzen bei Kontakt mit offenem Gewebe und können die natürliche Wundheilung beeinträchtigen.
Der Grund liegt in der Wirkung von Alkohol, der Proteine denaturiert. Während dies bei Keimen eine desinfizierende Wirkung hat, trifft es bei offenen Wunden auch nützliche Zellen und Gewebestrukturen. Besonders betroffen sind Fibroblasten, die essenziell für die Geweberegeneration sind. Diese Schädigung könnte die Heilung verlangsamen.
Zudem wird durch den Alkohol die natürliche Balance des Mikrobioms an der Wundoberfläche gestört, was in manchen Fällen eine übermäßige Entzündungsreaktion fördern kann. Nicht zuletzt können alkoholische Desinfektionsmittel zu einer Austrocknung der Wunde führen