Wie entsteht eine Steißbeinfistel? Ursachen im Überblick
Eine Steißbeinfistel (Sinus Pilondalis) ist nicht nur ein unangenehmes medizinisches Problem, sondern auch eine Erkrankung, die oft unerwartet auftritt und das Leben der Betroffenen stark beeinträchtigt. Besonders junge, sportliche Männer sind betroffen und leiden unter den schmerzhaften Symptomen. Doch wie entsteht eine Steißbeinfistel eigentlich, und was sind die genauen Ursachen? Das Wissen um die Entstehung und die Risikofaktoren kann Ihnen helfen, die Erkrankung besser zu verstehen und mögliche Auslöser frühzeitig zu erkennen. Eine rechtzeitige Behandlung kann entscheidend sein, um den Leidensdruck zu verringern und langfristige Komplikationen zu vermeiden.
Steißbeinfistel: Entstehung, Risikofaktoren und Verlaufsformen
Die meisten Menschen werden dieser Diagnose wohl erst begegnen, wenn sie selbst oder ein Angehöriger betroffen ist. Eine unscheinbare kleine Öffnung in der Pofalte (der Pit) ist häufig das erste Anzeichen. Über dieses Loch gelangten Haare in die Unterhaut (Subkutis). Steißbeinfistel: Manchmal sind mehrere dieser Öffnungen zu beobachten, die alle in dieselbe Fistelhöhle führen und somit die Steißbeinfistel erkennbar machen. Haare bestehen aus Keratin. Der Körper ist zwar in der Lage, Keratin zu produzieren, jedoch nicht in der Lage, es abzubauen. Dies führt dazu, dass Haare als Fremdkörper im Körper behandelt werden. Experten sind sich einig, dass eingewachsene Haare die Ursache für Steißbeinfisteln sind. Es bildet sich eine Hülle aus Narbengewebe, welche die Fistelkapsel bildet. Diese Kapsel verhindert eine Ausbreitung des chronisch entzündlichen Prozesses. Fachleute sprechen von einem Fremdkörpergranulom. Im Wesentlichen spielen folgende Faktoren bei der Entstehung der schmerzhaften Fisteln eine Rolle:
- Eingewachsene Haare: Die häufigste Ursache für Sinus Pilonidalis sind eingewachsene Haare in der Gesäßfalte. Diese bohren sich tief in das Unterhautfettgewebe und lösen dort eine Entzündung aus.
- Mechanische Reibung und Druck: Sitzende Tätigkeiten, enge Kleidung oder langes Sitzen erhöhen die Reibung in der Gesäßfalte, was die Haut reizt und kleine Verletzungen verursacht.
- Hormonelle Veränderungen: In der Pubertät steigt die Produktion von Androgenen (männliche Sexualhormone) sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen. Die Haarfollikel werden durch die Androgene stimuliert, dickere, längere und pigmentiertere Haare, sogenannte Terminalhaare, zu produzieren.
- Weiterhin wirken die Hormone auch auf die holokrinen Talgdrüsen und regen die Produktion von Sebum an. Bei Sekretstau fördert das Entzündungen.
- Genetische Veranlagung: In einigen Fällen kann eine familiäre Vorbelastung die Entstehung von Steißbeinfisteln begünstigen.
Diese Faktoren führen dazu, dass sich Haare in die Haut bohren und das Gewebe verletzen. Es entstehen kleinste Öffnungen in der Haut, sogenannte Pits, durch die Bakterien eindringen und eine Entzündung auslösen können.
Kann eine Steißbeinfistel gefährlich werden?
Steißbeinfisteln sind unangenehm und schmerzhaft, aber sie haben keine Verbindung zu anderen schweren Fistelerkrankungen, wie etwa Darm-, Knochen- oder Rückenmarkfisteln. Eine Steißbeinfistel ist spezifisch auf die Gesäßfalte begrenzt. Sie entsteht durch mechanische Reize und eingewachsene Haare und ist nicht auf angeborene Fehlbildungen oder embryonale Entwicklungsstörungen zurückzuführen. Es handelt sich also um eine lokalisierte und eigenständige Erkrankung, die nicht auf andere Körperbereiche übergreift
Verwechslungsgefahr mit anderen Erkrankungen
Aufgrund ihres ähnlichen Erscheinungsbildes kann eine Fistel am Steißbein leicht mit anderen Erkrankungen verwechselt werden, wie etwa Akne inversa, Analfisteln oder anderen Hauterkrankungen. Deshalb ist eine genaue Diagnose durch einen Facharzt unverzichtbar.
Akne inversa:
Diese chronische Hauterkrankung betrifft vor allem die Achseln, Leisten und Genitalregion, kann aber auch im Gesäßbereich auftreten. Im Gegensatz zur Sinus pilonidalis, die durch eingewachsene Haare verursacht wird, entsteht Akne inversa auf dem Boden einer fehlregulierten Immunreaktion. Typisch sind wiederkehrende Abszesse und Fisteln, oft bei Rauchern. Besonders wichtig: Akne inversa betrifft meist mehr als einen Hautbereich und ist schwerer zu behandeln als eine Steißbeinfistel.
Analfisteln:
Analfisteln entwickeln sich im Bereich des Analkanals und werden durch Entzündungen von kleinen Drüsen (Proktodealdrüsen) im Anus ausgelöst. Obwohl auch sie Fistelgänge und Abszesse verursachen, haben Analfisteln nichts mit einer Steißbeinfistel zu tun.
Rhagaden bei Psoriasis:
Bei Schuppenflechte (Psoriasis) können in der Gesäßfalte oder rund um den Anus schmerzhafte Einrisse der Haut auftreten, sogenannte Rhagaden. Anders als die typischen, schuppenden Plaques der Psoriasis ähneln diese Manifestationen einem unspezifischen Ekzem und können eitrig wirkendes Sekret absondern.
Herpes simplex:
Ein Herpesausbruch, gekennzeichnet durch kleine gruppierte Bläschen, kann in der Phase der Abheilung ebenfalls zu Verwechslungen führen. Nachdem die Bläschen geplatzt sind, können die verbleibenden Wunden wie Fistelöffnungen aussehen und an eine Steißbeinfistel denken lassen. Unterschied in den Symptomen ist der ypische, schneidend-brennende Schmerzcharakter..
Komplikationen bei Sinus Pilonidalis
Auch wenn Steißbeinfisteln in der Regel nicht zu lebensbedrohlichen Zuständen führen, können sie bei fehlender Behandlung folgende Komplikationen nach sich ziehen:
- Chronische Entzündungen: Wiederkehrende Entzündungen können die betroffene Haut und das umliegende Gewebe dauerhaft schädigen.
- Abszessbildung: Ein unbehandelter Pilonidalsinus kann zu schmerzhaften Eiteransammlungen führen, die chirurgisch entfernt werden müssen.
- Erhöhtes Rezidivrisiko: Ohne vollständige Entfernung der Fistelgänge besteht ein hohes Risiko für wiederkehrende Fisteln, die weiterführende Eingriffe notwendig machen.
Obwohl Steißbeinfisteln nicht auf schwerwiegende Fistelerkrankungen anderer Körperbereiche übergreifen, sollten sie nicht unbehandelt bleiben, um Komplikationen zu vermeiden. Wenn Sie Symptome bemerken, lassen Sie die Diagnose von einem Spezialisten bestätigen, um sicherzustellen, dass keine Verwechslung mit anderen Erkrankungen vorliegt und die passende Behandlung eingeleitet wird.
Schemazeichnung: Entstehung Steißbeinfistel
Woher kommen die Haare in der Steißbeinfistel?
Der "Pit" - Ursache des Sinus pilonidalis
Bei einer Steißbeinfistel liegen sogenannte, vom britischen Chirurgen John P. Lord bezeichnete, Pits vor. Dies sind in der Mitte der Gesäßfalte zu findende Öffnungen bzw. Eintrittspforten. Sie werden auch Porus (lat. Durchgang, Tor) oder Primärfistel genannt. Sie verstecken sich gerne in der Tiefe der Falte. Am Vorhandensein von Pits erkennt man verlässlich die Steißbeinfistel.
Manche Patienten haben nur einzelne, andere eine Vielzahl dieser perlschnurartig aufgereihten Öffnungen. Die Größe dieser Pits reicht von kaum sichtbaren, schwarzen Punkten bis zu einigen Millimeter großen Löchern. Manchmal stecken abgebrochene, lose Haare darin, aus manchen läßt sich wie bei einem Mitesser (Komedo) ein weißliches, pastöses Sekret ausdrücken.
Die Pits sind mit Haut ausgekleidet und können sich daher von selbst nicht mehr schließen. Sie werden zur Eintrittspforte von Bakterien und damit zur Ursache wiederkehrender Entzündung. Der deutsche Chirurg Karl Heinz Ardelt fand heraus, dass primär anaerobe und gramnegative Bakterien und bei Rezidiven zunehmend aerobe und grampositive Bakterien eine Rolle spielen.
So ist der ... Pilonidalsinus ungeachtet unterschiedlicher Ansichten ... ein infiziertes Fremdkörpergranulom.
Er räumte mit Vorstellungen einer embryonalen Entwicklungsstörung auf: Patey, D. (1970). The Principles of Treatment of Sacrococcygeal Pilonidal Sinus. Proceedings of the Royal Society of Medicine, 63(9), 939-940.
Die Entfernung der Pits – Der Schlüssel zur Heilung der Steißbeinfistel
Die Entfernung der Pits ist die entscheidende Maßnahme zur Heilung der Steißbeinfistel. Diese kleinen Hautöffnungen sind der Ausgangspunkt der Erkrankung und spielen eine zentrale Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Fistelgänge. Ein gezielter Eingriff, bei dem die Pits entfernt werden, kann daher den Heilungsprozess entscheidend unterstützen und das Risiko eines erneuten Auftretens der Fistel minimieren.
Warum sind Pits so problematisch?
Über die Pits gelangen Schmutz, Haare und Keime tief ins Gewebe, wo sie eine Entzündung und die Bildung von Fistelgängen auslösen. Ohne Entfernung dieser Pits kann die Steißbeinfistel nicht vollständig abheilen, da die Fistelkanäle immer wieder neu entstehen können. Die gezielte Entfernung der Pits, auch als Pit-Picking bezeichnet, ist ein minimalinvasives Verfahren, das die Fistelöffnungen entfernt und somit den Entzündungsherd beseitigt. Dieses Verfahren ist weniger belastend als größere, offene Operationen und hat folgende Vorteile:
- Gezielte Entfernung: Durch die Entfernung der Pits werden die Fistelursprünge direkt behandelt, ohne dass großflächiges Gewebe entfernt werden muss.
- Schonung des umliegenden Gewebes: Das Verfahren ist minimalinvasiv und reduziert das Risiko von Narbenbildung und Wundheilungsstörungen.
- Schnellere Heilung: Die Wunde heilt meist schneller, da nur die betroffenen Bereiche behandelt werden und kein großer Schnitt erforderlich ist.
- Geringeres Rezidivrisiko: Durch das gezielte Entfernen der Fistelöffnungen wird das Risiko eines erneuten Auftretens der Steißbeinfistel deutlich verringert.
Theorien und Ansätze zur Entstehung von Steißbeinfisteln
Die Entstehung von Steißbeinfisteln ist ein komplexer Prozess, der von verschiedenen wissenschaftlichen Theorien und Ansätzen erklärt wird. Im Laufe der Jahre haben Forscher unterschiedliche Mechanismen identifiziert, die zur Bildung von Pits und Fistelgängen beitragen. Im Folgenden sind die wichtigsten Theorien und Ansätze zusammengefasst:
1. Haarfollikel-Theorie (Bascom, 1980)
Der US-amerikanische Chirurg John C. Bascom schlug vor, dass die Haarfollikel selbst, und nicht eingespießte Haarschäfte, die eigentliche Quelle für die Entstehung von Steißbeinfisteln sind. Durch mikroskopische Untersuchungen beobachtete er, dass sich normale Haarfollikel schrittweise zu Pits entwickeln.
- Entwicklung der Pits: Bascom sah beim gleichen Patienten sowohl frühe als auch fortgeschrittene Stadien der Pits nebeneinander. Diese Pits entstanden direkt aus den Haarfollikeln.
- Füllung der Follikel: Die Haarwurzeln füllten sich mit abgebrochenen Haaren, Keratin und Hautschuppen, was zur Entstehung der Pits führte.
- Sogkräfte: Beim Sitzen und Aufstehen konnten Sogkräfte gemessen werden, die dazu führen, dass die Pits Fremdkörper ansaugen („the pit sucks“). Diese Kräfte könnten das Fortschreiten der Entzündung fördern.
2. Einspießen von Haaren (Karydakis und Dahl, 1992)
Der griechische Chirurg George Karydakis und der dänische Mediziner und Forscher sahen die Entstehung von Pits durch das Eindringen abgebrochener Haare als Hauptursache. Ihre Untersuchungen bestätigten die Annahme, dass Haarfragmente mit scharfen, nadelartigen Enden in die Haut eindringen und dort Schaden anrichten.
- Rasterelektronenmikroskopische Untersuchungen: Diese Studien zeigten, dass die gespaltenen Haarschäfte wie Widerhaken wirken und sich immer tiefer in die Haut eingraben.
- Widerhaken-Effekt: Die Keratinschuppen der Haare wirken wie Widerhaken, die verhindern, dass die eingedrungenen Haare wieder aus der Haut herauswandern können.
3. Sitz-Druck-Theorie (Page, 1969)
Der britische Chirurg William Page leistete in den 1960er Jahren wesentliche Beiträge zur Erforschung der Steißbeinfistel. Er konnte durch Experimente nachweisen, dass Haare allein durch den Druck beim Sitzen in die Haut eindringen können.
- Experimentelle Beweise: Page zeigte, dass ein Haar mit dem wurzelnahen Ende voran schon nach 30 Minuten in eine minimale Hautöffnung eindringen kann.
- Schraubenartige Verankerung: Die Struktur der Haarschuppen ermöglicht eine schraubenartige Verankerung des Haares in der Haut, wodurch es sich nicht mehr selbstständig lösen kann.
4. Externe Haarquellen (Doll und Bosche, neuere Untersuchungen)
Jüngere Studien von Jens Doll und Martin Bosche deuten darauf hin, dass externe Haare bei etwa 20–30 % der Patienten für die Symptome verantwortlich sind.
- Die Quellen der Haare sind folgende: Oft waren die Fisteln mit Haaren aus dem Nackenbereich gefüllt. Das könnte darauf hindeuten, dass häufige Friseurbesuche oder ein kurz rasierter Nacken das Risiko erhöhen.
- Ungewöhnliche Haarquellen: Es wurden sogar Haare von völlig unerwarteten Quellen entdeckt – etwa die langen Locken der Freundin eines Patienten oder Tierhaare. Das macht deutlich, wie viele überraschende Wege es gibt, auf denen Haare in die Fistel gelangen und für Probleme sorgen können.
Welche Faktoren erhöhen das Risiko für eine Steißbeinfistel?
Aus unserer Erfahrung wissen wir: Das Klischee vom stark behaarten, übergewichtigen und stark schwitzenden Steißbeinfistel-Patienten trifft längst nicht immer zu. Die meisten unserer Patient:innen haben eine ganz normale Behaarung, und die Ursachen sind oft viel komplexer, als man denkt.
Deshalb wollen wir genauer hinschauen und untersuchen, welche Faktoren wirklich das Risiko für eine Steißbeinfistel erhöhen. Dafür durchforsten wir aktuelle Studien und liefern euch die Fakten.
Schon 1992 vermutete der Chirurg Karydakis, dass aufgeweichte und weiche Haut anfälliger dafür ist, dass Haare in die Haut einwachsen. Er unterteilte die Risikofaktoren in drei Kategorien. Was das genau bedeutet und wie du dich schützen kannst, erfährst du hier!
H – (Haar)-Faktoren
H1 Anzahl der losen Haare, die sich in der Pofalte sammeln
H2 Die mehr oder weniger ausgeprägte Schärfe der Haarwurzelspitze
H3 Art der Haare (hart oder seidig)
H4 Form des Haares (glattes, nicht gelocktes Haar ist der Typ, der zum Einspiessen neigt)
H5 Schuppenbildung der Haare – stärker ausgeprägt im Alter von 10-22 Jahren
F (Force) Faktoren
F1 Tiefe
F2 Enge der Gesäßfalte
F3Reibung bei Bewegungen zwischen den Seiten der Pofalte
V (Vulnerabilitäts) Faktoren
V1 Weichheit
V2 Mazeration
V3 Erosion
V4 Schäfte
V5 Große Poren
V6 Wunden
V7 Narben
Wahrscheinliche Risikofaktoren
(Starke) Behaarung
Viele Haare = hohes Risiko? Vor der Pubertät gibt es keine Steißbeinfistel. Viele der von einer Steißbeinfistel betroffenen Patienten sollen eine überdurchschnittlich dichte und kräftige Behaarung aufweisen. In einer norwegischen Studie war hingegen die Zahl der Patienten mit geringer Behaarung größer.
Möglicherweise hängt der Prozentsatz stark behaarter Patienten mehr davon ab, auf welchem Breitengrad die Studie durchgeführt wird. Demzufolge würde eine Untersuchung aus dem Norden Europas weniger intensive Behaarung unter den Patienten mit Steißbeinfistel finden als eine Studie aus dem Mittelmeerraum. Auch die Zuverlässigkeit der Einordnung scheint mir fraglich, gibt doch kaum eine Studie die Methodik an, mit der die Dichte der Behaarung gemessen wurde.
Dunkle und kräftige Haare werden nicht zuletzt auch einfach mehr wahrgenommen als eine zahlenmäßig gleich starke, bei geringerem Pigmentgehalt und Durchmesser der Haare aber weniger auffällige Behaarung.
Männliches Geschlecht
Männer sind von Steißbeinfisteln 2 – 3 mal so häufig betroffen wie Frauen. Deshalb wird die Diagnose bei Frauen oft spät gestellt. Wir haben nicht wenige Patientinnen, die trotz zarter, kaum sichtbarer Haare eine Steißbeinfistel bekommen haben. In der Nachbehandlung muss man besonders aufpassen, dass diese nachwachsenden Haare nicht die Heilung stören.
Familienanamnese
Angehörige von Steißbeinfistel Patienten scheinen ein etwas höheres Risiko zu haben (Yildiz). Nicht selten haben mehrere Geschwister eine Steißbeinfistel. Auch über mehrere Generationen werden immer wieder familiäre Häufungen berichtet. Die Forschung hat aber bis heute keinen molekularen, genetischen Faktor gefunden, der dafür verantwortlich wäre.
Sitzende Tätigkeit
Wer hat die nicht? Einen Großteil unseres Lebens verbringen wir im Sitzen, in der Schule und Universität, im Büro oder im Auto. Statistiken der Streitkräfte zeigen dennoch, daß Kraftfahrer und Soldaten niederen Ranges ein deutlich höheres Risiko für die Entwicklung einer Steißbeinfistel haben als Offiziere. Besonders das Fahren auf holprigen Straßen oder im Gelände scheint die Entstehung oder auch die Entzündung einer vorhandenen Steißbeinfistel zu fördern („Jeep disease“)
Fragliche Risikofaktoren
Übergewicht?
Manche Studien fanden ein Übergewicht gemessen am BMI > 25 häufiger bei Patienten mit Steißbeinfistel als in der Kontrollgruppe (entspricht z.B. einem Körpergewicht über 90 kg bei einem 185 cm großen, 20 Jahre alten Mann). Eine Untersuchung in der Türkei fand keinen Unterschied in der Gewichtsverteilung bei 419 Patienten gegenüber der Kontrollgruppe. Unsere Patienten hingegen sind fast alle normalgewichtig und sportlich.
Mangelnde Hygiene?
Man bekommt eine Steißbeinfistel nicht allein davon, dass man sich zu wenig wäscht. In Studien fand man ein erhöhtes Risiko der Entwicklung einer Steißbeinfistel, wenn man seltener als dreimal pro Woche duscht oder badet. Das dürfte in Europa nur auf eine Minderheit der Patienten zutreffen.
Rauchen?
Raucher haben nicht häufiger eine durch Haare verursachte Steißbeinfistel als Nichtraucher. Im Gegensatz dazu sind die Übergänge zu der bei Rauchern häufigen Akne inversa fließend.
Diese Mischformen entwickeln häufiger chronisch entzündliche Komplikationen, Vernarbungen und Rückfälle.
Wenn in einer wissenschaftlichen Studie nicht genau zwischen Sinus pilonidalis und Akne inversa differenziert wird, verschlechtert das die statistische Chance von Rauchern auf Heilung. Selbst Lehrbücher der Dermatologie werfen diese unterschiedlichen Krankheitsbilder gerne in eine Schublade.
Ungeachtet dessen ist Rauchen nicht gesund und und stört die Wundheilung. Nehmen Sie doch die Behandlung der Steißbeinfistel zum Anlaß, das Rauchen aufzuhören und damit in eine gesunde Zukunft durchzustarten.
Schwitzen?
Starkes Schwitzen, insbesondere zusammen mit eng anliegender Kleidung, vermag vielleicht durch Aufweichen der Haut das Eindringen abgebrochener oder abgeschnittene Haare erleichtern. Im Verlauf der Wundheilung ist uns kein Nachteil für Patienten mit schweißtreibende Arbeit oder sportlicher Aktivität aufgefallen.
Strings und Tangas?
Boxershorts scheinen der aktuelle Standard für die Unterhose des Mannes zu sein. Sie lassen Luftzirkulation zu und sind wahrscheinlich vorteilhaft auch für die Hautgesundheit.
Im Verlauf der Nachbehandlung nach Steißbeinfistel Operation haben sich hingegen straff sitzende Unterhosen bewährt, die ein Festkleben des Verbandes oft überflüssig machen.
Die Reibung von Strings und Tangas könnte theoretisch das Einspießen von Haaren begünstigen. Studienergebnisse zu diesem Thema sind nicht verfügbar.
Berufliche Exposition gegenüber Staub und Haaren?
Erstaunlicherweise scheint die Exposition gegenüber Staub und textilen Partikeln weder für die Entstehung der Steißbeinfistel noch für die Heilung nach Operationen eine große Rolle zu spielen. Bekannt ist lediglich das Auftreten von haarbedingten Fisteln an den Fingern bei Friseuren als Berufskrankheit.
Diese drei Formen der Steißbeinfistel unterscheiden sich lediglich im Ausmaß der Entzündung und Füllungszustand der Fistelhöhle.
Blande Form
„Blande“ bezeichnet in der Medizin milde oder fehlende Symptome. Das Anfangsstadium einer Steißbeinfistel bleibt oft unbemerkt oder die Beschwerden sind gering. Unspezifische Schmerzen treten beim Sitzen auf harten Stühlen auf oder Liegen auf hartem Boden auf. Es fühlt sich an wie bei einem „Pickel“ oder einer Prellung. Manchmal treten außer einer sichtbaren Öffnung im Bereich der Gesäßfalte keinerlei Beschwerden auf.
Die blande Form sieht man in der Facharztpraxis am ehesten noch bei Vorsorgeuntersuchungen, z.B. bei der Hautkrebs – Vorsorge. Auch bei Reihen- und Einstellungsuntersuchungen für Polizei und Militär finden sich immer wieder zuvor nicht bekannte Steißbeinfisteln. Eine Studie aus der Türkei fand eine mit 8,3 % fast doppelt so hohe Prävalenz der blanden Form gegenüber 4,6 % für die symptomatische Form.
Akute Form
Ein Pilonidalabszess kann sich innerhalb weniger Tage entwickeln. Die zugrundeliegende Steißbeinfistel existierte unbemerkt schon vorher. Die typische Ausprägung dieser akut abszedierenden Form mit einer geröteten, schmerzhaften Beule am Po bzw. in der Steißbeinregion erkennt man auf einen Blick. Die äußerlich sichtbaren Symptome können aber auch gering sein. Der Patient hat starke Schmerzen, obwohl man nicht viel sieht. Bei genauer Betrachtung ist eine Verhärtung zu tasten und die Haut wirkt auffällig. Die Pits sind schwellungsbeding oft nicht zu sehen. Manchmal berichten die Patienten, dass die Schmerzen nach einem Sturz begonnen hätten. Ein ursächlicher Zusammenhang ist nicht zu erklären. Nicht selten treten Beschwerden nach längerem Sitzen auf, wie bei Schülern und Büroangestellten oder nach langen Flugreisen.
Chronische Form
Manche Patienten haben nur leichte Schmerzen und bemerken das Vorhandensein der Fistel nur zufällig oder aufgrund der Absonderung von Blut oder Eiter. Die Besiedelung der Pilonidalfistel durch die in dieser Region immer vorhandenen Bakterien kann eine sehr unangenehme Geruchsentwicklung verursachen. Die Kapsel enthält oft viele Kollagenfasern und fühlt sich hart an wie ein Knorpel („Knubbel“) am Steißbein, so dass es beim längeren Sitzen unangenehm drückt, ohne dass es richtig schmerzt. Manchmal entdecken die Patienten auch selbst kleine Öffnungen im Bereich der Gesäßfalte.
Sie hatten sich endlich entschlossen, die Fistel operieren zu lassen. Die Operation wurde durchgeführt. Alles sei gut verlaufen. Die Nachbehandlung war mühsam. Und jetzt hat sich die Wunde nicht ganz geschlossen, oder die Narbe ist wieder aufgeplatzt. Das ist doch zum verzweifeln! Was soll man jetzt nur tun? Noch mal operieren? Einen Wundspezialisten suchen? Mit der Fistel leben?
Als erstes muss geklärt werden, warum es zu einem Rezidiv gekommen ist.
- Die Fistel wurde nicht vollständig entfernt: am häufigsten findet man in dieser Situation übersehene „pits“
- Die Wunde ist gar nie gut verheilt: fast immer sind die Ursache eingewachsene Haare von der Seite oder am unteren Pol der Narbe. Das nennen wir ein Pseudorezidiv vom Typ IV.
- Es besteht eine zweite Fistel, unabhängig von der entfernten, die jetzt auffällig geworden ist
- Es ist tatsächlich eine neue Fistel entstanden nach dem gleichen, oben auf dieser Seite beschriebenen Mechanismus